Sommer in Europa, Zeit der Festivals. Nicht nur Musikfans kommen in der wärmsten Zeit des Jahres auf ihre Kosten, auch Fotobegeisterte können auf diversen Veranstaltungen ihrer großen Leidenschaft frönen. So waren auch wir, ganz im Zeichen unserer Aufgabe als Referenten für unsere Workshops, gefangen im Reise – und Organisationsfieber zwischen Zingst im Norden und der Photo+Adventure im tiefsten Pott, als unsere Aufmerksamkeit auf das zwischendrin stattfindende FOODPHOTO FESTIVAL in Dänemark fiel. 

Ein Festival, ganz allein der Foodfotografie verschrieben? Da wir von einer vergleichbaren Veranstaltung bis dato nichts gehört hatten, siegte die Neugier, und mit wenig Schlaf, viel Gepäck und dem ständigen Versuch, sich selbst davon zu überzeugen, dass, global gesehen, es von Zingst bis Dänemark doch ein Katzensprung sei, machten wir uns auf den Weg ins beschauliche Vejle, um uns ein ganz eigenes Bild dieses besonderen Ereignisses zu machen. 

Das Programm liest sich beachtlich: Neben Ausstellungen, Podiumsdiskussionen, Network Dinnern und zwei Awards für beste Reportage und beste Fotoserie können die Besucher an diversen Workshops teilnehmen, ihre Bilder bei einem Pecha-Kucha-Vortrag präsentieren, oder bei den Portfolio-Reviews ein individuelles Feedback von Profis aus der Branche zu ihren Mappen und Werken erhalten. Umso größer die Überraschung, wenn man das erste Mal einen Fuß in das beschauliche Städtchen Vejle setzt, in welchem das Festival stattfindet. Mit gerade mal 50.000 Einwohnern ist das „Manchester Dänemarks“, wie es während der industriellen Revolution genannt wurde, eher geruhsam und idyllisch denn bebende Metropole. 

Doch genau dies ist einer der Gründe, warum Kurator Günter Beer, Begründer des Festivals, so gerne an diesen Ort zurück kehrt. Obwohl Beer das Festival selbst als „Ufo“ bezeichnet und betont, dass es theoretisch an jedem Ort der Welt stattfinden könnte, ist ihm die familiäre Stimmung, neben der außerordentlichen Gastfreundlichkeit und Unterstützung der Stadt, besonders wichtig. 

„Es gibt Veranstaltungen in großen Städten, die prämieren, da gibt’s 20 Kategorien und 30 Preisträger, aber wir legen Wert drauf, dass die Menschen wirklich hier sind. Das ist das Wichtige, der Kontakt zwischen den Menschen. Zwischen den Leuten passiert viel. Das kann man schlecht in einer Metropole, in der sich alles verläuft, es ist kompakt, gut koordinierbar.“ 

Günter Beers Biografie liest sich laut „Der Feinschmecker“ wie ein Abenteuerroman. Er war Fotojournalist in Rio de Janeiro, berichtete über den Bürgerkrieg in Nicaragua, saß mit Goldgräbern im Schlamm von Venezuela und fotografierte in US Militärlaboren, reiste für Modestrecken durch Mexiko bevor er für ein internationales Buchprojekt 255 kulinarische Spezialitäten aus ganz Europa fotografierte und das die Leidenschaft für Foodfotografie in ihm weckte. 

Auf die Frage, wie er dazu kam, sein eigenes FOODPHOTO FESTIVAL zu veranstalten, antwortet er humorvoll trocken: „Zu meinen Zeiten als Reportagenfotograf war ich sehr gerne auf dem Festival in Perpignan, das hat mir zu meiner Zeit als Foodfotograf gefehlt. Ich habe dann gesucht, gibt es so etwas, gab es nicht. Vielleicht war ich ein bisschen naiv, aber ich dachte daraufhin „Dann mache ich halt mein eigenes!“ 

Heute, nach der mittlerweile 5ten Ausgabe des im Zweijahrestakt stattfindenden Festivals erfreut er sich hochkarätigen Besuches aus mehr als 27 Ländern.

Eine dieser Menschen ist Judith Balari. Die Argentinierin mit neuer Wahlheimat Italien stellt auf dem FOODPHOTO FESTIVAL einige ihrer Werke aus und ist aufgeregt und glücklich zugleich, mit Menschen, die ihre Passion teilen, einige Tage voller Austausch verbringen zu können. 

Durch Argentinien zu Landschaftsfotografie und Portraitfotografie verführt, begann ihre Passion für Foodfotografie erst vor knapp vier Jahren, als ihr Weg sie nach Italien brachte. 

„Die italienische Küche hat mich die Leidenschaft für Foodfotographie entdecken lassen. In Argentinien essen wir meistens gegrilltes Fleisch oder Salat, das ist nicht sonderlich gesund oder abwechslungsreich. Aber in Italien, da gibt es an jeder Ecke eine neue Essenskultur! Erst verstand ich nicht, warum jeder in Italien so viel über’s Essen redet, aber mit der Zeit wurde ich angesteckt, begann, selbst zu kochen, Bilder davon zu machen um es meinen Freunden zu zeigen, und so entwickelte ich diese Leidenschaft.“ 

Wenn sie heutzutage für eine große Firma beauftragt wird, Fotos zu machen, steht ihr oft ihr Mann zur Seite.
„Er ist ein fantastischer Koch. Es ist nicht sein Hauptberuf, aber er ist sehr gut, vor allem seine Art des Anrichtens ist großartig. Er hilft mir sehr viel.“

Auf die Frage, was in ihren Augen ein gutes Foodbild ausmacht, sagt sie ganz klar:
„Der Star ist das Essen. Es muss appetitlich aussehen, so, als wolle ich direkt hineinbeißen. Auch spielen die Farben für mich eine große Rolle. Vielleicht ist es, weil ich es im Blut habe, wegen des Karnevals bei uns drüben, aber ich liebe satte, volle Farben. Aber das allerwichtigste ist, dass man seine Arbeit liebt und sein Herzblut mit einfließen lässt. Fotografie sollte nie Arbeit sein, sondern immer eine Erfüllung.“ 

Schlendert man durch die Hallen und begutachtet neben den ausgestellten Kunstwerken auch die Besucher, so kommt man nicht umhin, festzustellen, wie familiär, freundlich und offen jeder miteinander umgeht. Konkurrenzkampf und Missgunst scheinen an der Eingangstür abgegeben worden zu sein, stattdessen finden sich überall reger Austausch, nette Worte und eine inspirierende Grundstimmung, die man nur dann erfährt, wenn man es schafft, Menschen gleicher Passion zu vereinen. 

Aber was ist nun die Intention hinter diesem Festival? Ist es ein Klassentreffen für die alteingesessenen der Branche? Ein Treffpunkt für Begeisterte dieser Kunstform oder ein Ort, an dem auch der Nachwuchs die Chance bekommt, sich direkt Feedback von der Industrie zu holen und Profis die Möglichkeit gibt, sich fernab von Redaktionsalltag und Stress in Ruhe neue Inspiration und Input zu holen? 

„Alles zusammen, das ist ja das Tolle“, meint Peter Steiner, seines Zeichens mit Preisen ausgezeichneter Art Director und eines der Urgesteine der Szene. „Ich wüsste nicht wo ich etwas vergleichbares schon einmal gesehen habe. Es gibt viele Fotofestivals, ja, aber für Foodfotografen ist es hier wirklich das reinste Paradies. 
Das Besondere ist, dass man hier viele Foodfotografen zum ersten Mal persönlich trifft und man einen ganz persönlichen Kontakt bekommt. Und es sind Fotografen aus unglaublich vielen Ländern mit den unterschiedlichsten Bildsprachen vertreten. Bei den vielen Portfolio Reviews begegnen man dann sowohl den professionelle Fotografen als auch den Anfängern immer sehr offen.
Man schaut bei den Präsentationen wer Bilder für den Magazin- Kalender- oder Kochbuchbereich in seinem Portfolio hat.
Besonders die jungen Fotografen gehen heute sehr unvoreingenommen und mutig an die Foodthemen heran. Die Kreativität in den Bildern und dem Styling ist enorm. Es ist ein einziges Geben und Nehmen, das ist bereichernd für alle.
Das Schöne beim Festival hier ist, dass keiner mit irgendwelchen Sachen hinter’m Berg hält. Die Technick-, Beleuchtung- oder Stylingtricks die man erfahren möchte kann man problemlos erfragen. Alle reden miteinander und alle profitieren voneinander. 
Ich kann mich hier optimal auf die Foodszene einstellen, auf Kunden, Fotografen und Stylisten zugehen, mit ihnen neue Ideen entwickeln und besprechen. 
Wenn ich alleine zuhause am Schreibtisch sitze, ganz egal wo, ist es viel schwieriger diese vielfältige Kreativität zu erreichen. Da können auch die Millionen Bilder im Internet nicht wirklich helfen. 
Da gehe ich dann doch lieber in Vejle mit den Festivalteilnehmern tagsüber durch die Ausstellung oder abends zum Essen.
 
Wie habt ihr das gemacht? Wie hättet ihr das gemacht? Dieser Ideen-Austausch ist etwas wunderbares. Und das ist hier beim FoodPhotoFestival in Vejle die Besonderheit – ich empfehle allen Fotografen – kommt her. Hier bekommen die Teilnehmer so viel Input, dass man mit tollen Inspirationen und Ideen nach Hause fährt.“ 

Auf die etwas frech gestellte Frage, ob er nach all den Jahren Motive gibt, die er nicht mehr sehen kann, folgte folgende Antwort: 

„Bei jedem Foto, welches man nicht genau anschaut, vergibt man eine Chance.“ 

Besser kann man die Liebe für die Kunstform nicht ausdrücken.

Heimlicher Star und Alleinstellungsmerkmal des FOODPHOTO FESTIVAL sind auf jeden Fall die Portfolioreviews. Auf keinem uns bekannten anderen Event haben Quereinsteiger, Newcomer und Profis gleichermaßen die Chance, ihr Portfolio direkt den Experten der Industrie zu präsentieren und sich exklusives Feedback zu holen. 

Einer der Reviewer ist Christian Talla, seit 25 Jahren Art und Creative Director für diverse große Verlage sowie Consultant für Editorial Teams. Wir erwischen ihn in einer kurzen Pause zwischen seinen Reviews. Wie jeder mit dem wir gesprochen haben, ist er begeistert von der Möglichkeit, von Angesicht zu Angesicht neue Talente kennen zu lernen und sich inspirieren zu lassen, findet aber auch klare Worte: 

Eine Mappe braucht immer einen Zweck: ob du nur ein Feedback auf dein Werk haben willst (wie hier in Vejle) oder ob du dich um einen Job bemühst! 

Wenn du nicht weißt, warum du deine Mappe so und nicht anders zusammen gestellt hast, hat dein Auftreten keine Überzeugungskraft. 

Du musst immer überlegen, wer du bist und wofür du stehst. – Mit der Kraft dieser Authentizität sollstet du deine Mappe so zusammenstellen, dass sie zum gegeben Anlass der Präsentation passt! Zeige deinen Blick, zeige dein Herz, lege es offen in der deinen Bildern und in der Zusammenstellung deiner Werke.

Willst du einen Job in der Industrie oder Werbebranche, muss die Mappe so sein, dass du der Bestmögliche bist im Umsetzen von Wünschen von Geschäftspartnern.

Geht es um einen Editorial-Job für Magazine, muss ich deiner Mappe entnehmen können, wie du z. B. eine Reportage umsetzt, wie du ein Thema so verdichtest, dass ich in wenigen Bildern durch deine Augen eine Geschichte „lesen“ kann.

Geht es um Foodstills, zeige mir das Teamwork deines Team: Foodstyling, Propstyling, Licht und Perspektive. Was ist dein unverwechselbarer Blick darauf?  

Sage mir was du willst und zeige mir deine Handschrift, deinen persönlichen Stil. – Ich muss dir vertrauen können! Ich werde dir schließlich „mein“ Geld für einen Job geben.

Meine Idee der Portfolio-Reviews ist, dass die Leute hier her nach Vejle kommen, um zu überprüfen ob das, was sie zusammen gestellt haben, auch am Markt funktioniert.“

Ein Festival von Foodphotoliebhabern für Foodphotoliebhaber, ganz im Zeichen des gemeinsamen Austausches, der Inspiration, der Nachwuchsförderung und des Zusammenhaltes. 

Der Gedanke, die Szene zu zeigen, zu zeigen wie weltweit Menschen mit den ihnen gegebenen Mitteln Kunst schaffen und Foodfotografie zu etablieren kam, neben Günter Beer, auch einem anderen Mann. Dieser wählte nur ein anderes Medium. 

Joris Luyten, selbst erfolgreicher Fotograf, ist der Herausgeber des jährlich erscheinenden belgischen Buches Foodprint. Das „Jahrbuch der Gastronomie“ ist eine Mischung aus Agenda, informativen Artikeln, Weinführer und Galerie, die Künstler aus aller Welt vereint und informiert, was binnen einen Jahres in der kulinarischen Welt passiert.

„Ich hatte die gleiche Idee wie Günther. Ich wollte Foodfotografie als Kunstform etablieren. Es sind immer die Landschaften oder die Portraits oder die Mode, die in den Galerien hängen, aber niemals Food. Dies war die Idee, die hinter dem Buch steckte. 

Für das erste FOODPHOTO FESTIVAL, damals noch in Spanien, lud mich Günther ein, das Buch zu präsentieren. Im darauffolgenden Jahr hatte ich 75 Fotografen aus 30 verschiedenen Nationen im Buch abgedruckt. Nun sind es zehn Jahre und wir haben weit über 750 Fotografen eine Plattform gegeben. 

Auf der einen Seite hast du einen Fotografen aus Kairo, welcher nur eine kleine Kamera und sonst nichts zur Verfügung hat. Auf der anderen Seite den Profi aus New York, mit einem Studio größer als eine Messehalle. Beide geben dir unterschiedliche Arten der Fotografie und dies ist etwas, was ich in meinem Buch zeigen wollte. Es ist wichtig zu zeigen, dass nicht jeder die gleichen Möglichkeiten hat und es Unterschiede gibt, aber dass alle in dieser Kunstform vereint sind.“ 

Trotz des 10jährigen Jubiläums wird die diesjährige Foodprint – in der Form! – vorerst die letzte sein. 

„Wir haben die höchste Qualität erreicht die wir erreichen konnten, also ist es jetzt an der Zeit, aufzuhören. Ab jetzt gäbe es keine Steigerung mehr, sondern nur noch ein gleich bleibendes Level. Wir wollen allerdings nicht aufhören, wir werden uns zusammen setzen und mit einer neuen Idee der Foodprint eine neue Richtung geben.“ 

Unser Fazit aus anderthalb Tagen FOODPHOTO FESTIVAL in Dänemark: 

Trotz jahrelanger Erfahrung, die unser Team vor und hinter der Kamera vorzuweisen hat, und trotz vieler Veranstaltungen sowohl als Besucher wie auch als Mitarbeiter, Aussteller und Referent, hat das Festival einen ganz besonderen Platz in unserem Herzen. Nach all den Strapazen, die das Überleben als Selbstständiger in einer künstlerischen Branche mit sich bringt, fühlte sich der Besuch beinahe an wie ein Reset. Ein Reset, der einem wieder die Liebe zur Kunst nahe bringt und einem zeigt, dass Menschen, die den gleichen Beruf haben, sich als Verbündete, die sich der gleichen Leidenschaft verschrieben haben sehen sollten statt als Konkurrenten. Gerade in der Kunst sollte man wissen, dass aus Missgunst und Neid nichts wachsen kann. Von daher war es schön zu beobachten, dass all diese höchst professionellen Menschen aus aller Welt zusammen kamen, um gemeinsam ihr Können zu zelebrieren und ein Neuankömmling keine Gefahr, sondern Bereicherung ist. 

Wir hoffen, dieses inspirierende Gefühl noch ein bisschen länger in uns tragen zu dürfen und uns auch im Alltag davon beflügeln zu lassen. Oder, um es mit den Worten von Günther Beer zu sagen: 

„Vor zwei Jahren erzählte mir ein bekannter englischer Fotograf, nach dem Festival hätte er ein Shooting vorbereitet und Sachen fotografiert, wo er früher nie auf die Idee gekommen wäre, sie zu fotografieren. Einfach, weil er so inspiriert und voll bepackt mit neuen Eindrücken von hier war. Im Prinzip ist es das, worum es hier geht. Get inspired. Neue Ideen, krieg wieder Lust an deinem Job.“ 

In diesem Sinne: Bis in zwei Jahren, Vejle! Und danke! 

Über die Autoren:
Mit Patricia Klöppel und Jochen Kohl vereinen sich jeweils über 20 Jahre Erfahrung vor und hinter der Kamera. So trifft fundiertes Wissen auf ungebändigte Kreativität. So bilden sie ein einmalig frisches und kompetentes Team, was sich in ihrer Arbeitsweise und den Ergebnissen widerspiegelt.